"Hunde klären das unter sich"

Klärungsbedarf

Es gibt Mythen in der Hundeszene, die sich hartnäckig halten. Sätze wie „Das hat er ja noch nie gemacht“ oder „Der will nur spielen“ hat wohl jeder Hundebesitzer schon mal gehört.

Hand aufs Herz, wie oft hatten Sie schon Gespräche mit anderen Hundehaltern, weil deren Vierbeiner Ihren eigenen bedrängt hat? Leider ist die Devise „Das klären die unter sich“ immer noch weit verbreitet. Bei vielen Rangeleien wird dieser Satz gepredigt. Gerade Neu-Hundebesitzer berichten oft, dass ihre Tiere unschöne Situationen mit Artgenossen erleben, während deren Besitzer achselzuckend daneben stehen und nicht einschreiten.

Ich frage mich, was genau die Hunde in solchen Situationen eigentlich klären sollen. Wer der Stärkere ist? Wer mehr blaue Flecken einstecken kann? Aus Hundesicht absolut nicht nachvollziehbar. Unsere Vierbeiner schätzen klare Regeln und Strukturen durch ihre Menschen. Wenn der Halter seinen Hund immer wieder Situationen aussetzt, in denen der Vierbeiner Konflikte mit Artgenossen austragen muss, wird das Vertrauen in den Menschen sinken.

Der Vierbeiner zweifelt an den menschlichen Managementqualitäten.

Um Unsicherheiten auf beiden Seiten zu vermeiden, sollten Hunde lernen, dass der Mensch jederzeit nachvollziehbar und schlüssig handelt und in der Lage ist ein Rudel zu leiten. Wird ein Vierbeiner mehrmals in Konflikte gebracht, ohne dass sein Mensch dies zu verhindern weiß, wird der Hund die Lernerfahrung sammeln, dass er eigenständig aktiv werden muss und in Zukunft für die externe Kommunikation verantwortlich ist.

Was hat das für Folgen? Praktisch kann es unter anderem bedeuten, dass der Hund nicht mehr zuverlässig den Rückruf befolgt und sich bei Hundebegegnungen anders bzw. unsicher verhält. Natürlich gibt es keine Trainings- oder Verhaltens-Schablone, die auf jeden Vierbeiner passt. Es kommt stets auf das individuelle Mensch-Hund-Team an. In der Diskussion um die gleichgültige Phrase „Die klären das unter sich“ finde ich es besonders wichtig, die Bedürfnisse des Hundes zu berücksichtigen.

Hunde wollen sich nicht in Konflikte begeben.

Nehmen wir ein Beispiel aus der Kindererziehung: Wenn ein Kind dem anderen ohne Unterlass mit der Schaufel auf den Kopf haut, würde man doch auch das eine Kind schützen und dem anderen – um in der Hundesprache zu bleiben – ein Alternativverhalten anbieten. Vermittler gibt es überall. Auch im Sport achtet ein Schiedsrichter auf die Einhaltung der Regeln. Nur bei unseren Hunden fällt es uns oft schwer, klärend einzuschreiten.

Das Bewusstsein der Menschen muss gestärkt werden, dass nicht alles Spiel ist, wenn sich zwei Vierbeiner begegnen. Hierfür wünsche ich mir mehr Rücksicht und Absprache unter Hundehaltern. Trifft ein angeleinter Hund auf einen unangeleinten, ist die Kontaktaufnahme zum Beispiel nicht zu empfehlen. Zum einen sollten beide Tiere die gleiche Chance auf Kommunikation haben, zum anderen hat die Leine oft einen Grund. Vielleicht mag der Hund keinen Fremdkontakt, ist alt, krank, verletzt oder im Training.

Warum darf er denn nicht „Hallo“ sagen?

Ein wichtiger Punkt ist außerdem die Körpersprache der Hunde. Im Gegensatz zu uns Menschen bevorzugen sie nicht die kurze Distanz um sich „Hallo“ zu sagen. Erspäht Ihr Hund einen Artgenossen, wird er eher nicht fröhlich weiter schnüffeln und einen Meter vor dem anderen Vierbeiner denken „Oh, wo kommt der denn plötzlich her“. Die Kommunikation unter Hunden beginnt bereits aus der Entfernung und vermittelt unter anderem Imponierverhalten, Drohgebärde oder Freude.

Sicher ist es unproblematisch, wenn sich „best buddys“ begrüßen. Wenn ein Freilauf nicht möglich ist, wäre das Zueinanderlassen an der Schleppleine die bessere Variante. Begegnen sich zwei angeleinte Hunde, sind die Managementqualitäten der Halter gefragt. Nehmen Sie Ihren Vierbeiner auf die abgewandte Seite. So sind Sie der Puffer zwischen Ihrem Vierbeiner und dem fremden Rudel und signalisieren, dass Sie die Begegnung klären.

Über die Autorin

Jana Raetke

Jana Rätke ist zertifizierte Hundetrainerin. Mit „Der Lieblingshund“ (www.der-lieblingshund.de) bietet sie in Niedersachsen individuelles Training für Mensch und Hund an. Besonders liegen ihr das Verstehen der Körpersprache sowie das artgerechte Beschäftigen der Vierbeiner am Herzen. Außerdem arbeitet sie als freiberufliche Autorin. Ihr aktuelles Buch „Abenteuer Welpe“ ist im Kynos Verlag erschienen.

 

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