Während sich manche Hunde gerne streicheln lassen

Darf ich mal streicheln? – Kolumne von Jana Rätke

Mit einem Hund an der Seite ist dir ein Lächeln gewiss. Doch während die einen sich gern Streicheleinheiten abholen, bedeutet es für andere Vierbeiner Stress. Wie also reagieren?

Darf ich mal streicheln?

Zeig Deinem Hund in den ersten Wochen möglichst viele verschiedene Dinge“, gab mir die Züchterin bei der Abholung meines Hundes mit auf den Weg. An einen ganz speziellen Ausflug in ein Gartencenter kann ich mich noch heute bestens erinnern – obwohl es schon gute zwölf Jahre her ist. Eigentlich besuchte ich diesen Ort, um den kleinen Welpen an neue Reize zu gewöhnen. Ganz oben auf unserer Übungsagenda stand für diesen Tag: Fahrstuhl fahren. Das ausgesuchte Gartencenter verfügte über ein gläsernes Exemplar. Eigentlich wie gemacht für ein gutes Welpen-Training. Unserer Mission „unbekannte Reize erleben und aushalten“ stand eigentlich nichts im Wege. Doch im Geschäft angekommen, konnte ich kaum einen Schritt vor den anderen setzen. Haben Du schon einmal versucht unbehelligt mit einem Welpen durch die Stadt zu gehen? Das ist in etwa so als ob man mit einem blinkenden Tannenbaum auf dem Kopf durch eine Fußgängerzone schlendern würde. Unauffällig geht anders. Immer dort, wo ich mit meinem Hund stand, bildete sich eine Menschentraube – alle wollten das kleine Fellknäuel streicheln. Natürlich war ich auch stolz, dass alle meinen Hund so niedlich fanden.

Genau wie Menschen haben auch Vierbeiner eine Individualdistanz

Obwohl ich eigentlich zum Fahrstuhl fahren an diesem Ort war, ließen sowohl mein Hund als auch ich die vielen Streicheleinheiten zu. Doch irgendwann war mein Welpe erschöpft – die ganzen Eindrücke müssen erst einmal verarbeitet werden. Ich nahm meinen Hund auf den Arm und entfernte mich von der entzückten Menge. Die Menschen schauten mir daraufhin hinterher, wie einer Managerin, die ihren Künstler zu früh von der Autogrammstunde abholte. Auf unserem weiteren Weg durch das großzügige Gebäude griff ich auf Höhe der Zooabteilung nach einem Einkaufswagen. Diese waren extra für diese Abteilung vorgesehen, um Futtersäcke und ähnliches zu transportieren. Ich legte meine Jacke dort hinein und setzte darauf meinen Hund. Mein Plan vom Fahrstuhlfahren- Üben hatte ich schon längst verworfen. Das hatte an diesem Tag keinen Sinn mehr, mein Welpe konnte durch die vielen Menschen schon ausreichend Eindrücke sammeln. Er saß sichtlich zufrieden hoch oben im Einkaufswagen und schaute sich neugierig um.

Ich kann verstehen, dass jeder einen Welpen streicheln möchte.

Bis auf einmal wie aus dem nichts eine weitere Hand nach meinem Hund griff. Ich zog den Einkaufswagen rasch beiseite und erklärte höflich, dass dieser Welpe bitte gerade nicht mehr gestreichelt werden möchte. Die Frau zog ihre Hand zurück, warf mir einen giftigen Blick zu und sagte: „dieser Hund wird haben schlechtes Leben“. Von Welpen oder allgemein Hunden geht oft eine große Faszination auf Menschen aus. Nur ist enger Kontakt zu fremden Personen nicht für jeden Hund immer der pure Genuss. So individuell unsere Hunde sind, so unterschiedlich sind auch ihre Bedürfnisse.

Nicht jeder Hund sollte gestreichelt werden.

Genau wie wir Menschen haben auch unsere Vierbeiner eine Individualdistanz. Gerade im Kontakt mit fremden Menschen zeigen Hunde ganz deutlich, wo diese „imaginäre Linie“ liegt. Nähert sich ein fremder Mensch mit der Mission „Streicheleinheit“ einem Hund gibt es eigentlich nur drei Szenarien:

  • Möglichkeit 1: der Hund ist ganz weich in den Gliedmaßen, der ganze Körper wackelt vor Freude und er geht seinem Gegenüber in freudiger Erwartung entgegen.
  • Möglichkeit 2: der Vierbeiner legt die Ohren an, wendet beschwichtigend den Kopf ab und verlagert konfliktvermeidend das eigene Körpergewicht nach hinten und versucht sich so der ungewollten Kontaktaufnahme zu entziehen.
  • Möglichkeit: 3: Ohren werden aufgestellt, Vorder-und Hinterbeine durchgedrückt, Rute ist durchgestreckt und der Blick klar nach vorne fokussiert, ein warnendes Knurren lässt die Leine vibrieren. Mit jeder Faser des Körpers sagt der Hund: „Ich möchte keinen Kontakt“.

Welche Variante würde wohl Dein Hund wählen?

Eins, zwei oder drei? Wenn Dein Vierbeiner zwei oder drei wählen würde, dann sei sein schützender Begleiter. Stelle Dich vor ihn und stoppe das Gegenüber. Setze sein Bedürfnis auf Individualdistanz durch.

 

Kolumnistin Jana Rätke
Jana Rätke
Hundetrainerin & Journalistin

Sie hat ihre beiden Leidenschaften zum Beruf gemacht. Sie ist ausgebildete Redakteurin und zertifizierte Hundetrainerin mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie. In der täglichen Arbeit mit Mensch und Hund ist es ihr besonderes Anliegen, dass Menschen die Körpersprache ihrer Hunde verstehen. Den Grundstock von unerwünschten Verhaltensweisen legen oft Missverständnisse in der Kommunikation zwischen Mensch und Hund. Mehr von Jana Rätke erfahren Sie unter: www.der-lieblingshund.de

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