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Ein Hamburger, sein Hund & das große Segelabenteuer

Salzbuckel, Co-Skipper oder Bordkasper sind untypische Bezeichnungen für einen Parson-Russell-Terrier. Und doch ist Polly genau das. Mit ihrem Herrchen Stephan Boden hat die Hündin ihr Revier auf hoher See.

Es begann 2011. „Nach einer privaten Trennung und einem Todesfall im Bekanntenkreis stand ich vor der Frage: Willst du immer so weitermachen?“, erinnert sich der erfolgreiche Werbefilmer. „Daraufhin habe ich mir ein kleines 18-Fuß-Boot gekauft und bin damit 2012 für vier Monate auf die Ostsee gegangen. Ich hatte das Ganze eigentlich nur in diesem einen Sommer vor. Aber die Zeit war so wundervoll, dass ich den Törn einige Male wiederholt habe. Dass ich meine Hündin Polly mitnehme, stand nie außer Frage. Sie liebt das Bordleben, ich liebe sie, sie liebt mich und wir beide lieben Abenteuer!

Als ich Polly Ende 2006 bekam, drehte ich bereits seit Jahren mit einem Freund Segel-Reiseführer. Wir waren damals jeden Sommer viele Wochen unterwegs und haben die gesamte Ostsee abgeklappert. (Die Filme kann man sich unter www.segel-filme.de kostenlos ansehen.) Mir war also klar, dass Polly im frühen Alter direkt mit an Bord musste. Zweifel hatte ich nie. Ich habe mir aber viele Gedanken gemacht, wie ich sie an das Leben zu Wasser gewöhnen kann. Ich hatte zu der Zeit eine kleine Jolle auf der Alster, dort haben wir geübt. Anfangs bin ich mit ihr überhaupt nicht rausgefahren, sondern nur im Hafen geblieben, wo wir mit ihren Lieblingsleckerlies tolle “Hundepartys” gefeiert haben. Nach kurzer Zeit fand Polly die Plattform Boot super – damit war die Basis gelegt, sie zu einer waschechten Seglerin zu machen. Der Rest funktioniert ähnlich, wie man das generell mit unerfahrenen Bordgästen macht: Wenn man selbst die absolute Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt, nimmt man ihnen die Angst.“

„Ein Parson Russell ist natürlich lebhafter, als zum Beispiel ein Basset Hound. Aber ich bin der Ansicht, dass die meisten Hunde sich so verhalten, wie ihr Rudelführer es vorgibt“, räumt Stephan Boden die Bedenken hinsichtlich eines lebhaften Terriers als Bordhund aus. „Ich hatte vor Polly bereits vier Hunde (Collie, Husky sowie Mischlinge) und wusste in etwa, welche Eigenschaften Terrier mitbringen. Deshalb habe ich ganz bewusst darauf geachtet, meiner Hündin die nötige Gelassenheit im Alltag und an Bord zu vermitteln. Parsons sind sehr auf ihre Menschen fixiert und beobachten genau. Wenn also ein kläffender Hund vorbeikam, bin ich mit Polly einfach ohne jegliche Reaktion weitergegangen. An Bord habe ich das genauso gemacht. Zum Beispiel mal das Segel richtig laut killen (flattern) lassen und dann einfach dagesessen und gar nicht reagiert. Man konnte ihr richtig ansehen, dass sie in solchen Momenten dachte: „Ach, wenn der Alte nicht hektisch wird, kann das nicht schlimm sein”. Terrier sind sehr wache Hunde und extrem clever – das muss man nur zu nutzen wissen. Dazu kommt ihre praktische Größe. Einen Rottweiler an Bord zu hieven, ist kein Spaß! Polly dagegen kann ich auch mal in einen Jutebeutel stecken und über die Schulter gehängt an Bord tragen. Sie benimmt sich wie ein erfahrener Salzbuckel, der schon drei Mal um die Welt gesegelt ist.“

Ein Hund an Bord verbessert alles – man teilt Momente und ist niemals einsam.

„Ich war früher die meisten Zeit allein an Bord, ein klassischer “Einhandsegler”. Ich kann zwar – besonders auf dem Boot – gut allein sein, aber Polly verbessert alles. Egal, ob sie in kalten Nächten den Schlafsack vorwärmt oder an regnerischen Tagen der Bordclown ist. Dazu lerne ich durch sie unglaublich viele Menschen kennen. Ich habe dank Polly sogar meine Frau getroffen! Während ich früher versucht habe, Polly mit meiner (manchmal gespielten) Entspanntheit zu beruhigen, ist es inzwischen genau andersherum: Wenn es ruppig oder brenzlig wird, beruhigt mich dieser gelassene Hund unter Deck schon sehr. Es gab mal eine sehr grenzwertige Situation. Digger war ein kleines, leichtes Boot (5,75 Meter/750 Kilogramm) und nicht seegängig – eigentlich was für Binnenseen. Wir hingen ein paar Tage im Norden Dänemarks im Kattegat aufgrund schlechten Wetters fest. Ich fand den Hafen (Grenaa) nach drei Tagen aber so furchtbar, dass ich unbedingt wegwollte. Also habe ich abgelegt, obwohl die Wetterprognosen sehr unklar waren. Unterwegs hat es uns dann mit bis zu 7 Beaufort erwischt. Der Wind war nicht das größte Problem – die Welle war die Hölle! Zwei Meter hohe Wasserwände, die im 5-Sekunden-Takt auf einen einrollen, dazu noch aus unterschiedlichen Richtungen. Das Einzige, was mich beruhigt hat: Polly. Die schlief unter Deck. Manchmal flog sie ein wenig herum, legte sich dann aber gleich wieder hin. Mir wurde erst hinterher bewusst, dass sie es auch nicht so toll fand. Denn als wir einen sicheren Hafen erreicht hatten, habe ich mich hingelegt, Polly kam direkt zu mir und hat ein wenig gezittert. Dafür hätte ich mich echt ohrfeigen können.“

Die Geduld eines Bordhundes wird mit tollen Abenteuern belohnt.

Wie gestaltet man den Alltag für einen Bordhund? „Ein weiches Körbchen mit hohem Rand macht Sinn. Außerdem ist die Schwimmweste auch für Hunde wichtig. Polly benötigt sie jedoch nur beim Ankern. Sie liegt während des Segelns unter Deck“, verrät Stephan Boden. „Beim Ankern macht Polly das, was auch ich immer mache: Über Bord springen und schwimmen. Damit ich sie besser aus dem Wasser fischen kann, ist die Schwimmweste mit der Rückenschlaufe ideal. Das Segeln selbst findet Polly nicht besonders spannend. Sie weiß aber, dass wenn wir an Bord gehen, eine tolle gemeinsame Zeit beginnt. Dabei muss vor allem das Rahmenprogramm stimmen. Nach dem Anlegen unternehmen wir ausgedehnte Touren an Land. Auch die Häfen sind spannende Abenteuerspielplätze für Hunde. Wobei Polly unterwegs über die Stränge schlagen darf, ist bei der Ernährung. Diesbezüglich bin ich im Alltag sehr strikt, aber unterwegs darf sie auch mal von der Grillwurst naschen.“ Und was passiert, wenn der Vierbeiner mitten auf hoher See ein Geschäft zu erledigen hat? „Das kommt zum Glück selten vor“, lacht Stephan Boden. „Manchmal passiert es jedoch, dass Polly unterwegs unruhig wird. Ich habe ihr bereits als Welpe beigebracht, ihr Geschäft auf Kommando zu erledigen. Wenn ich also merke, dass sie muss, hebe ich sie einfach ins Cockpit und sage das Kommando: „Pipi” – das gilt übrigens für Beides. Meine Boote sind achtern immer offen, daher nehme ich danach eine Pütz (Eimer mit Leine) und spüle die Hinterlassenschaft einfach mit Wasser weg. Aus einem 5-Kilo-Hund kommt ja nicht so viel raus.“

Und wie findet sich der „Seehund“ nach längeren Törns wieder in der Stadt zurecht? Stephan Boden und Polly sind vor rund einem Jahr von Hamburg nach Berlin gezogen. „Polly ist ein sehr glücklicher Hund – auch in der Stadt. Wenn wir länger unterwegs waren, muss ich sie allerdings erst wieder auf Kurs bringen. Denn sie nimmt sich dann mehr raus, und das kann bei Terriern verheerend sein. Ich absolviere dann erstmal eine strenge Woche mit ihr. Das ist vor allem für mich sehr hart, aber in der Stadt lauern so viele Gefahren, dass man bezüglich funktionierender Kommandos konsequent sein muss. Generell glaube ich, dass Polly den Mix aus allem mag, den wir in unserem Leben haben. Sie liebt es, unterwegs zu sein, schätzt aber auch klare Strukturen. Wenn ich sie fragen würde, ob wir lieber immer an Bord oder immer in der Stadt leben wollen, würde sie – denke ich – antworten: „Lass uns das einfach so weitermachen, wie es ist!”

 

TEXT Stefanie Ohl | FOTOS Stephan Boden

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