So läuft es mit der Leine
Biologisch betrachtet ist das Anleinen eines Hundes unnatürlich. In unserer Lebensform ist die Leine jedoch ein sinnvolles und wichtiges Hilfsmittel. Zum Beispiel aus Sicherheitsgründen beim Gehen an der Straße oder um unkontrolliertes Jagdverhalten im Wald zu verhindern. Eine schützende Funktion für den Hund hat die Leine dadurch, dass der Mensch das Management in bestimmten Situationen (u. A. bei Begegnungen mit Artgenossen) übernimmt. Bedenke dabei aber, dass ein angeleinter Hund in seinem Verhalten eingeschränkt ist. Er kann nicht eigenständig ausweichen und muss somit wichtige Entscheidungen seinem Menschen überlassen. Ein großer Vertrauensbeweis! Deshalb sollte die Leine auch nicht als Werkzeug benutzt werden, um den Hund durch einen Ruck zu korrigieren. Wenn der Vierbeiner daran gewöhnt ist und sie richtig angewendet wird, kann die Leinenführung fördernd für die Mensch-Hund-Beziehung sein. Doch ein harmonischer Spaziergang am lockeren Band ist nicht selbstverständlich.
1. Der Zieher
Dein Hund zerrt bei Spaziergängen an der Leine? Dann solltest Du auf Ursachenforschung gehen: Vergräbt der Vierbeiner seine Nase direkt in jedem Laubhaufen, scheint er ein Jäger zu sein. Macht er sich unverzüglich ans Markieren, kann eine territoriale Motivation dahinterstecken. Oder hast Du einen Begleiter, der ständig vor Deinen Füßen den Weg kreuzt? Dieses Pendeln von links nach rechts deutet auf eine kontrollierende Komponente als Auslöser … Die Leinenführigkeit ist ein komplexes Feld, bei dem es auch auf die richtige Aufgabenverteilung ankommt. Hast Du einen Jäger an der Leine, gestalte den Spaziergang interessanter. Zeige Deinem Hund zum Beispiel durch Such- und Schnüffelaufgaben, dass auch Du einen exzellenten Riecher hast. Wenn Du einen Markierer an der Leine hast, führe "Piescher-Zonen" ein. Lege selbst fest, an welchen Stellen Dein Hund sich lösen darf und an welchen nicht. Zeigt der Hund an der Leine Kontrollverhalten, baue feste Richtlinien ein. Erlaube Deinem Vierbeiner mit einer Vokabel wie "frei", dass er den Radius der Leine nutzen und auch vor Dir die Seiten wechseln darf. Im Gegenzug bedeutet zum Beispiel die Vokabel "Seite", dass der Hund wieder entspannt an Deiner Seite laufen soll.
2. Der Schleicher
Es gibt Vierbeiner, die an der Leine bevorzugt den hinteren Radius nutzen. Hierbei muss immer das individuelle Mensch-Hund-Gespann betrachtet werden. Wenn der Gefährte langsamer wird, weil er älter wird, sollte man sich seinem Tempo anpassen. Schaue genau hin, warum Dein Hund sich zurückfallen lässt. Hat er vielleicht die ganze Zeit seine Nase auf dem Boden, aber schaut dabei immer geradeaus? Dieses Verhalten deutet auf Unsicherheit hin. Sprich: Der Vierbeiner tut schwer beschäftigt, in Wirklichkeit aber fürchtet er eventuelle Konfrontationen mit anderen Hunden und möchte eher unsichtbar sein. In diesem Fall musst Du Deinem Begleiter mehr Sicherheit vermitteln. Beweise bei Hundebegegnungen Deine Managementqualitäten. Lass keine Artgenossen unkontrolliert zu Deinem Schützling, wenn dieser bereits hinter Dir Deckung sucht.
"Ein entspannter Spaziergang funktioniert nur, wenn die Leine nicht gespannt ist."
3. Der Mensch
Ein häufiger allgemeiner Fehler beim Leinenführigkeit-Training ist die Überforderung des Hundes. Konditioniere ein neues Wort wie "bei Fuß" oder "bei mir" sorgfältig, bevor Du die verlässliche Umsetzung von Deinem Vierbeiner verlangst. Stecke dabei kleine Ziele. Der Hund muss zunächst einmal verstehen, was überhaupt von ihm erwartet wird. Wähle kurze Teilabschnitte eines Spaziergangs, auf denen Du konsequent das gute Gehen übst. Belohne Deinen Hund direkt, sobald er locker an der Leine geht.
4. Der Welpe
In den ersten Lebenswochen prasseln viele neue Eindrücke und Erfahrungen auf Hundebabys ein. Auch das Laufen an der Leine gehört dazu. Ein Welpe sollte früh lernen, dass ihn durch diese Begrenzung nichts Negatives erwartet. Lege Deinem kleinen Begleiter das Halsband bzw. Brustgeschirr sowie die Leine in gewohnter Umgebung an und starte ein Spiel. So verknüpft der Welpe die neue Situation auch mit Spaß. Achte dabei unbedingt darauf, dass der junge Hund nicht die Lernerfahrung sammelt, dass Ziehen an der Leine zum Erfolg führt. Ein Beispiel: Der angeleinte Welpe hängt sich in die Leine, um zu einem interessanten Reiz wie etwa einem Menschen oder einem anderen Hund zu kommen. Läuft der Halter seinem Hundebaby mit gespannter Leine hinterher, lernt der Vierbeiner, dass sich das Ziehen für ihn lohnt. Besser wäre es in dieser Situation stehen zu bleiben und den Hund erst zu seinem Ziel zu lassen, wenn die Leine locker durchhängt.
5. Der Freiläufer
Du hast einen Hund, der ausschließlich Freilauf genießt? Auch wenn der Vierbeiner abrufbar ist, kann es Situationen geben, in denen er angeleint werden muss. Ob an bestimmten Urlaubszielen oder regional, zum Beispiel während der Brut- und Setzzeit sowie ganzjährig in Naturschutzgebieten. Was also tun, wenn der Hund bisher keine Leine kennt? Achte darauf, dass Dein Vierbeiner die neue Erfahrung positiv verknüpft. Sinnvoll kann eine Schleppleine sein, die Deinem Begleiter mehr Bewegungsfreiheit ermöglicht. Nutze den erweiterten Radius zum Beispiel für ein Apportier-Spiel. So lernt der Hund, dass eine Leine gar nicht so schlimm ist. Beim Einsatz einer Schleppleine solltest Du Handschuhe tragen, damit diese nicht durch Deine Hände rutscht.
Über die Autorin

Jana Rätke ist zertifizierte Hundetrainerin. Mit „Der Lieblingshund“ bietet sie in Niedersachsen individuelles Training für Mensch und Hund an. Besonders liegen ihr das Verstehen der Körpersprache sowie das artgerechte Beschäftigen der Vierbeiner am Herzen. Außerdem arbeitet sie als Autorin. Ihr aktuelles Buch „Abenteuer Welpe“ ist im Kynos Verlag erschienen.