Einen Neustart will dieses Jahr auch Gregor Gumppenberg mit seinen Schlittenhunden hinlegen. Wie der heroinsüchtige Freiherrnsohn erneut Weltmeister werden will

Neustart ins Leben

Die Geschichte von Gregor Gumppenberg wirkt wie aus einem Hollywood-Drehbuch. Über den heroinsüchtigen Freiherrnsohn, der Hundeschlittenweltmeister wurde und nun erneut um ein Happy End kämpft.

 Zwischen Hölle und Hounds

„Mit 12 erster Drogenkontakt, mit 15 heroinabhängig. Über 10 Jahre lang das ganze harte Zeug. Und dann kamen die Hunde …“ Ein Internetvideo zeigt den Werdegang eines Mannes, dem es erst in Begleitung von vier Pfoten gelang, wieder Fuß zu fassen. Die Bedeutung der Hunde für Gregor von Gumppenbergs Leben erahnt man, wenn man weiß, welche Dämonen die Vierbeiner vertrieben haben. Lange Zeit war der Spross eines altbayerischen Adelsgeschlechts rauschgiftsüchtig. Die Drogen hatten ihn so sehr im Griff, dass sie ihm mehr als einmal fast alles genommen haben. Als es kurz vor knapp für Gregor stand, kamen die Hunde und arbeiteten mit ihm für ein gemeinsames Ziel.

Nachdem auf einen weiteren Tiefpunkt eine weitere Therapie folgte, war eigentlich alles wie immer – und doch anders. Denn der Wurf einer Bauernhündin brachte die kleine Malaisha in Gregors Hände. Mit seiner treuen Begleiterin zog er 2001 in den Bayerischen Wald, um für die „Waldschrats Adventure Company“ zu arbeiten, die Schlittenhund-Erlebnisse anbietet. Gumppenberg fuhr Touristen durch die Natur und begann nebenbei eigene Hounds zu züchten. Die Europäischen Schlittenhunde entstammen dem Gen-Mix aus Deutsch Kurzhaar, Pointer und Alaskan Husky und sind wahre Formel-1-Athleten. Lauffreudig und langbeinig können die Hunde mühelos über Stunden einen Schnitt von 30 Stundenkilometern halten und sind auf kurzen und mittleren Distanzen so gut wie unschlagbar.

Ganz vorne mit dabei

Mit seinem Gespann begann sich Gregor zu einem weltweit erfolgreichen Musher (Schlittenhundefahrer) zu entwickeln. „Die Arbeit mit den Hunden ist so ziemlich die einzige Sache, bei der ich sagen kann darin bin ich gut, das kann ich“, weiß der Mann mit den dunklen Locken. Er wird mehrfacher Bayerischer Meister, schafft es jeweils unter die ersten Drei bei der Europa- und Deutschen Meisterschaft und erringt 2008 im italienischen Pian Cansiglio den größten Erfolg: Weltmeister im Schlittenhundefahren auf der Mitteldistanz. Während Gregor mit seinen Hounds über die Pisten sprintet, fährt er den dunklen Erinnerungen davon. „Wenn ich bei meinen Hunden bin und mit ihnen trainiere, bin ich frei. Dann habe ich keinerlei Gedanken an Drogen. Ich kann einfach sein.“

Doch Schlittenhundesport ist eine kosten- und zeitintensive Angelegenheit. Ohne Unterstützung lassen sich die Versorgung der Tiere sowie die Trainings- und Reisekosten nicht finanzieren. Als sich einige Sponsoren zurückzogen, begann durch seine fortan geringere Präsenz ein Teufelskreis, an dessen Ende Gregor nicht einmal mehr genug für den Lebensunterhalt seiner Hunde hatte. Er kämpfte, doch 2013 war der ehemalige Weltmeister gezwungen den Schlittenhundesport aufzugeben. Die Hounds verließen sein Leben und das Heroin kehrte zurück …

Keine Hunde sind keine Option

„Es gibt Menschen, die können ohne Partner sein – ich kann nicht ohne Hunde sein“, sagt Gregor. Das erkennt auch Freundin Julia, als sie ihn in einer Klinik besucht. 2016 ruft sie die Crowdfunding-Aktion „Der Traum vom Weltmeister 2019 – Therapie mit Schlittenhunden“ ins Leben. Von Gumppenberg möchte „einfach nochmal gut sein“, und viele glauben an ihn. Mehr als 300 Unterstützer finanzieren den Spendenaufruf durch fast 30.000 Euro. Die Hälfte der Summe, die Gregor und sein Team für drei Jahre Reise-, Futter- und Tierarztkosten sowie Ausrüstung, Training und die Teilnahme an Rennen kalkuliert haben. Ich hätte nicht im Ansatz mit dem Zuspruch gerechnet, den ich bekommen habe. Nicht nur monetär, auch das positive Feedback und Interesse haben mich überrascht. Das Crowdfunding ist jetzt zwei Jahre her und war der Grundstein um überhaupt wieder anzufangen.“ Aber im Gegensatz zu früher, als er sich finanziell nahezu einzig auf Sponsoren verlassen hatte, schafft sich der Hunde-Experte ein zweites Standbein.

Mit Julia von Hammerstein gründete er nicht nur eine Familie, sondern baut sich aktuell auch eine Existenz als Betreiber einer Hundeschule samt Betreuungs- und Seminarangebot am Starnberger See auf. „Meine Freundin teilt die Liebe für Hunde – sie fasziniert vor allem deren Nase. Dementsprechend bieten wir Kurse im Bereich Grundgehorsam, Nasenarbeit und natürlich Zughundesport an.“ Letzterer spielt derzeit wieder eine große Rolle in Gregors Leben. Er arbeitet hart an seinem Traum einer erneuten Weltmeisterschafts-Teilnahme – und diese rückt Ende Januar im französischen Bresson in greifbare Nähe.

Therapeuten auf vier Pfoten

Hunde und Mensch müssen für den Wettkampf im Eis und Schnee gut in Form sein. Während dieser Artikel entsteht, trainieren der Münchener Musher und seine Hounds in Schweden und anschließend wieder am Reschenpass zwischen Österreich und Italien. „Nur so ganz finanziert habe ich die Rennsaison 2019 noch nicht. Es ist alles andere als einfach, auch wenn der Zughundesport gerade voll im Trend liegt“, gibt Gumppenberg zu bedenken. „Einige meiner Hunde suchen noch dringend Paten.“ Unterstützen kann man das Gespann auch durch das Sponsoring von Lauf-Booties, Pfotenbalsam, Hundefutter oder Benzingeld. Außerdem bieten Gregor und Julia wunderschöne, teils handgefertigte Produkte wie Leinen und Leckerlibeutel an. Der Erlös aus jedem Verkauf geht auf ein Treuhandkonto, das von einem Anwalt betreut und nur für die Hunde und das Ziel der Weltmeisterschaft verwendet wird.

Zum Gumppenbergschen Team gehören derzeit fünf Schlittenhunde. „Da ich nicht genügend Tiere habe um ein komplettes Wettkampf-Gespann zusammenzustellen, darf ich noch drei Hunde eines Freundes mitnehmen. Kenya ist nicht nur meine Leithündin, sondern steht mir auch am nächsten. Dann sind da noch Kafka und Cosmo, die beiden Rüden. Cosmo läuft aggressiver als Kafka, aber er war die letzte Saison verletzt und muss nun zeigen, was er wieder drauf hat. Pamuk, unsere blauäugige Hündin, hat ebenfalls das Zeug zum Leader. Ansonsten hat sie eine Menge Unsinn im Kopf – wir besitzen viele einzelne Schuhe“, lacht der 44-Jährige. „Nicht zu vergessen Vito, der meist Team oder Wheel läuft, also mittig oder direkt vor dem Schlitten. Er ist ein sehr freundlicher Rüde, der eine beständige Leistung ablegt. Hounds sind nicht nur tolle Sportler, sondern auch extrem sozial.“

„Ich mag das Zusammensein mit den Tieren. Dass du gemeinsam in der Natur bist und zeitweise keine Sprache brauchst, um dich zu verständigen.“ Obwohl er phasenweise nicht die Verantwortung für sich selbst übernehmen konnte, ist Gregor von Gumppenberg ein hervorragender Teamleader. „Die Hunde geben einem, neben ihrer Zuneigung, Struktur. Du musst sie versorgen und mit ihnen trainieren, auch wenn du dich manchmal lieber unter der Decke verstecken würdest. Ich bin wie der Coach einer Mannschaft. Mal probiere ich den einen Hund auf einer Position aus, mal den anderen. Ich muss wissen, wo jeder seine Stärken und Schwächen hat. Grundsätzlich gilt für mich, der Hund macht keine Fehler, sondern nur ich. Sportlicher Ehrgeiz sollte niemals vor dem Wohl der Tiere stehen.“ Sein warmherziger Umgang mit den Vierbeinern ist einer der Gründe, warum Gregors Einsatz soviel Anerkennung erfährt. Für ihn hingegen steckt noch weitaus mehr dahinter. Hunde besitzen einen sehr hohen Stellenwert für mich. Nicht zuletzt ermöglichen sie mir ein lebenswertes Leben. Oder um es noch direkter zu sagen: dass ich überhaupt noch am Leben bin.“

 

Weitere Infos: www.traumvomweltmeister.com & www.hundeschule-tutzing.com

Teilen:

Ähnliche Beiträge

@tackenberg

Teile deine schönsten Tackenberg-Momente auf Instagram unter dem Hashtag #tackenberg
Mit etwas Glück inspiriert bald dein Beitrag  die Tackenberg-Community.